Eines vorneweg: ich werde hier ein bitterböses Urteil über das Spiel fällen, und wer ein Freund dieses Machwerks ist, sollte vielleicht lieber nicht weiterlesen. Außerdem ist diese Beurteilung voller Spoiler. (Auch wenn man Ascension kaum noch verdorbener machen kann als es ohnehin schon ist.)
Worauf es ankommt
Ascension ist auf der ganzen Linie missglückt. Die eklatanten Bugs und die technischen Schwierigkeiten sind mir dabei noch egal; darüber wird in 1000 anderen Reviews gejammert, aber hier nicht. Auch die Grafik, der Sound, und die Musik lassen mich kalt. Über das Gameplay kann man streiten, das ist wohl Geschmackssache.
Was zählt das alles schon? In einem Rollenspiel geht es um die Story, die Dialoge und die Charaktere. Wenn ich diese Dinge bei Ultima IX kritisieren möchte, weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll!.
Die Story strotzt an allen Ecken und Enden vor Fehlern - reihenweise werden die früheren Ultimas ignoriert oder völlig falsch verstanden. Dachten die Designer, es reicht, ein paar Cover der alten Ultimas an die Wände zu klatschen, um zu verschleiern, dass die Ultima-Tradition mit dem letzten Teil zerstört, geschändet und verspottet wurde?.
Britannia in 3D
Ascension wird oft mit dem Argument verteidigt, dass es doch schön sei, jetzt einmal so richtig in 3D durch Britannia zu wandern. Sorry, Leute, aber das ist nicht Britannia. Das ist eine banale, langweilige und einfallslose Fantasywelt, welche den Köpfen von Designern entsprungen ist, die mit dem Auftrag, „Tomb Raider“ Kundschaft abspenstig zu machen, die einstmals plausible Welt in einen kleinen Vergnügungspark verwandelten.
Eine Siedlung in einem Vulkan, ein Dorf voller Baumhütten und Seilzüge (die man mit einem Knopfdruck aktivieren kann!), und eine magische Stadt mit grünem Nebel, der vermuten lässt, dass sich ein Atomkraftwerk in der Nähe befindet. Wie originell.
Dieses sogenannte „Britannia“ ist außerdem so winzig wie nie zuvor. Wer hätte gedacht, dass man von Trinsic nach Buccaneer’s Den spucken kann? Oder dass Cove in Wahrheit kleiner ist als mein Garten? Wenn man dann auch noch Empath Abbey plötzlich auf der anderen Seite der Welt findet, kommt es einem endgültig hoch.
Und wäre der britannische Kontinent neuerdings nicht in 3 Teile zerbrochen (ohhhh, was für eine tolle Idee!), dann wäre die Winzigkeit der Welt vermutlich noch deutlicher spürbar.
Aber wenn doch nur die Worldbuilder versagt hätten! Es kommt noch viel schlimmer...
Die 8 heiligen Tugenden
Nehmen wir an, es gibt Probleme in unserer Gesellschaft. Wie kann man sie lösen? Indem man eine kritische Diskussion mit den Menschen beginnt, um in gegenseitigem Respekt für die Standpunkte anderer Leute versucht, Lösungsvorschläge zu erarbeiten? Indem man versucht, auf verschiedene Fehler in der Gesellschaft hinzuweisen? (Und genau darum ging es in der Quest of the Avatar immer; auf die Fehlerhaftigkeit der Menschen hinzuweisen. Damit hatte Batlin völlig recht, auch wenn er es negativ ausgelegt hatte.)
Ha, weit gefehlt! Es reicht, sich durch eine dunkle Höhle zu kämpfen, um einen Runenstein zu finden. Sobald dann damit auf einem Schrein ein magisches Ritual durchgeführt worden ist, ist die Welt wieder in Ordnung. (Man braucht dafür auch noch einen weiteren magischen Gegenstand, den man meist dadurch erlangt, dass irgendein Dummkopf erkannt hat, dass Anti-Tugend keine Tugend ist.) Man wiederhole diesen Abschnitt 8 Mal, und schon hat man den Plot von Ascension hinter sich. (Wenn manche Reviewer meinen, „Toller Plot, leider viele Bugs“, dann frage ich mich ernsthaft, wie für diese Leute erst ein „schlechter“ Plot aussehen muss!) Sind dann die 8 Schreine gereinigt, folgt endlich wieder ganz Britannia hirnlos seinem geistigen Führer. Erbärmlich.
Dialoge
Der Plot ist übrigens nicht nur einfach bedauernswert mager, sondern auch völlig linear, was meist sogar so weit geht, dass der Spieler in Dialogen keine Dialogzeilen zur Auswahl hat, sondern der Avatar einfach ohne Zutun des Spielers drauflos plappert. Ebenfalls erbärmlich.
Charaktere
Die Welt und die Story ist also Schrott; mit den wichtigsten Charakteren des Spiels verhält es sich klarerweise genauso:
Der Avatar: früher ein vom Spieler definierter Charakter mit keinem festen Geschlecht und keiner fixen Hautfarbe, ist bei Ascension ein blonder Herrenmensch reinster Güte, unfehlbar und fehlerlos. Der Guardian: der klassische übermächtige Oberbösewicht, der es aus unbekannten Gründen verabsäumt, den Helden bei einer der 1000 Gelegenheiten auszuschalten. Raven: die Verbrecherin, die vom Avatar auf den Pfad der Tugend zurückgeführt wird und als Belohnung mit ihm schläft, wenn man die richtigen Dialogzeilen anklickt. Blackthorn: der Sheriff von Nottingham; Armer Blackthorn: hätte man ihn doch am Ende von Ultima 5 exekutiert, um ihm und uns seine Rolle in Ascension zu ersparen! Und schließlich: Lord British, der senile alte Dummkopf, der von nichts eine Ahnung hat.
Apropos Realismus...
Lebendig wirkt diese Welt nicht. Die Leute haben nicht die leiseste Ahnung, was in anderen Städten passiert, der Tag-Nacht-Rhythmus wurde gestrichen, und Einzeiler-NPCs erinnern mich mit Zeilen wie „Schönes Wetter heute, nicht wahr?“ stets daran, dass sie nur Dekoration sind. Dieses sogenannte „Rollenspiel“ ist ein schlagender Beweis dafür, dass 3D-Grafik kein Garant für eine lebendig erscheinende Spielwelt ist; es scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein. Ultima 5 hatte eine hässliche Blockgrafik, dafür konnte man in das komplexe Britannia damals eintauchen.
Resümee
Ascension ist mit schlimmen Inkonsistenzen so vollgestopft, dass ich es nicht als echtes Ultima anerkennen kann, offiziell hin oder her. Ein Tiefpunkt im Spiel folgt dem anderen. Die um ein paar Jahrzehnte verjüngte Gwenno, die kein Wort über die Serpent Isle verliert, ist ja noch harmlos gegen die Gargoyle-Königin oder gar die Wiederauferstehung Dupres. Als wenn das eigentliche Spiel nicht schon niveaulos und schlecht genug wäre, dröhnt bei den abschließenden Credits auch noch die unpassendste poppige Schlussmusik aller Zeiten aus den Lautsprechern und sorgt so dafür, dass Ascension bis zur letzten Sekunde eine Qual ist.
Fassen wir zusammen: Ultima Ascension ist nicht nur eine Enttäuschung, sondern auch eine Frechheit gegenüber den Fans, die jahrelang auf ein Meisterwerk warteten und mit diesem wertlosen Action-Adventure belohnt wurden. (Das durch eine offenbar ahnungslose Marketingabteilung fahrlässig verschwendete Potential wird offensichtlich, wenn man einmal die vielen unbenutzten Maps gesehen hat, in denen man einem langen Pfad in einem riesigen Gebirge folgt, um Cove zu erreichen.)
An diesem Spiel ist schiefgegangen, was nur schiefgehen kann. Schade. Was mich betrifft, so hat die Ultima-Serie mit Teil 8 aufgehört. (Tja, wer geglaubt hat, nach Pagan kann es nur bergauf gehen, der wurde eines besseres belehrt.) Ich bin aber der festen Überzeugung, dass es eines Tages ein echtes Ultima 9 geben wird.