Ist das ganze Fehlersuchen krank?

Autor: Hacki Dragon, 28.Juli 2002

Es gibt ein Argument, mit dem viele UA trotz aller Inkonsistenzen und Fehler verteidigen. Es lautet:

„Das ist nur ein Spiel, und man soll nicht alles erklären können. Künstlerische Freiheit muss erlaubt sein.“

Ich will dazu Stellung nehmen.

Drei Punkte

Das besagte Argument besteht aus drei Punkten:

  1. Künstlerische Freiheit ist wichtiger als Konsistenz.
  2. Man soll nicht alles erklären, es sollen noch Geheimnisse übrigbleiben.
  3. Es ist nur ein Spiel.

Künstlerische Freiheit

Obwohl sich so eine Diskussion nicht nur um UA dreht, betrifft sie doch hauptsächlich dieses eine Spiel. Ich glaube, sicher behaupten zu können, dass mich die Inkonsistenzen nicht gestört hätten, wenn UA allgemein dem Ultima-Geist treu geblieben wäre, was aber nicht der Fall war.

Ja, mich hätte es gar nicht sonderlich geärgert, dass Empath Abbey in UA auf der anderen Seite Britannias liegt, wenn ich dort eine interessante und gehaltvolle Quest vorgefunden hätte, die sich mit dem Prinzip der Liebe in den 8 Tugenden beschäftigt, anstatt ein dummes „Zum 1000.Mal eine Kerze mit dem Standardzauber anzünden und ein bisschen herumhüpfen“-Rätsel lösen zu müssen.

Aber so gähnte ich nur, und alles was blieb, war der Eindruck, dass hier Entwickler am Werk waren, die von Ultima keine Ahnung hatten.

Ich empfand die Freiheiten, die sich die Entwickler herausnahmen, nicht als Kunst, sondern eher als schlimme Vereinfachung von allem, was mir an der Ultima-Serie lieb und teuer war.

Vor allem in Ultima 6 und Ultima 7 gab es schon einige Inkonsistenzen. Beispielsweise konnten die flügellosen Gargoyles in Ultima 7 plötzlich sprechen. Aber solche Fehler störten niemanden. Warum nicht? Weil die Gargoyles trotzdem sehr gut in die Fellowship-Geschichte eingebunden waren.

Ein weiterer ganz wichtiger Punkt ist natürlich der, dass UA schlicht und ergreifend die schlimmeren bzw. die größeren Fehler hat. Dass z.b. das gesamte Moongate-System mit einem völlig neuen ersetzt wurde, hätte es in Ultima 4-7 nicht gegeben.

Auch die komplette geographische Umwälzung Britannias mit der halbherzigen „Das waren die Säulen“-Erklärung geht eindeutig zu weit. Hier wurde dem linearen Spielablauf ein Opfer erbracht. Die Entwickler hatten keine künstlerischen Ideale im Sinn, sie wollten das Spiel schlicht und ergreifend einfacher und simpler machen.

Inkonsistenzen, Fehler und Atmosphäre

Die Atmosphäre ist ein ganz wichtiger Aspekt eines jeden Rollenspiels. Ich will in die Welt eintauchen, das Gefühl für meine eigene Realität verlieren und Teil der Spielwelt werden. Das wurde in Ultima 4-7 stets brillant bewerkstelligt. Ich war der Avatar, ich war dort, ich war in Britannia.

Warum war die Atmosphäre in diesen Spielen trotz der veralteten Grafik also so gut?

Es gab mehrere Gründe, und die meisten haben mit Freiheit zu tun. Man hatte moralische und storytechnische Handlungsfreiheit, sowie die Freiheit (bis zu einem gewissen Grad), mit der Spielwelt zu interagieren wie man es wollte. Ein weiterer Grund war aber, dass die Spielwelt plausibel erschien, v.a. in Ultima 7. Dort gab es in Britain schon eine richtige Politik mit einem korrupten Bürgermeister und Einflussnahme einer gefährlichen Sekte. Es gab brutale Morde und Intrigen im ganzen Land. Da war bereits die ältere Zielgruppe angesprochen, nicht die der 10-15jährigen. Ultima war gereift, Britannia ergab Sinn und war realistisch.

Hier kam schließlich die Konsistenz der Storyline ins Spiel. Als erfahrener Ultima-Spieler wusste man, was in den Vorgängern geschehen war, und freute sich mit jedem neuen Ultima darauf, die Entwicklung zu sehen, die Britannia seit dem Ende des letzten Teils durchgemacht hatte. Handlungsfehler in bezug auf die Vorgänger zerstören dieses Gefühl der Konsistenz, und Handlungsfehler, die nur das jeweilige Spiel betreffen, tun der Plausibilität auch keinen guten Dienst.

Je größer der Handlungsfehler, desto mehr Atmosphäre wird zerstört. In Ultima 4-8 (bzw. 5-8, denn Ultima 4 hatte keine echten Vorgänger in dem Sinn) waren diese Inkonsistenzen minimal. Gut, Buccaneer’s Den war in Ultima 7 plötzlich größer als früher, und von Seggallion war keine Spur mehr zu sehen, aber was kümmerte mich das? Ich konnte noch immer wie einst über Serpent’s Spine nach Yew wandern und meine Kameraden fragen, was sie in der Zwischenzeit getrieben hatten.

In Ultima IX haben die Inkonsistenzen das Maß des Erträglichen uml;berschritten. Man wird praktisch in jeder wichtigeren Szene durch eine schwere Inkonsistenz daran erinnert, dass es sich doch nur um ein Spiel handelt. Man wird dadurch so oft aus der Spielwelt herausgerissen, dass man gar nie richtig darin bleiben kann.

Das Spiel beginnt auf der Erde, Hawkwinds Stimme ertönt, und kein Wort wird über das Ende von Ultima 8 verloren. Und sobald man aus genau diesem Grund an Ultima 8 denkt und sich fragt, was man verpasst hat, ist man geistig schon wieder in der Realität und nicht in der Spielwelt.

Nicht alles erklären

Die Dosis macht aus dem Gift Medizin und umgekehrt. Genau wie zu viele Handlungslücken ein Spiel verderben, wäre es lächerlich, für jede Ungereimtheit in der Story eine Erklärung zu finden. Zu erklären, wie der Kodex in die ätherische Leere kam, oder auch wie genau sich Gargoyles fortpflanzen, ist witzlos. Eine gute Fantasy-Geschichte lebt von Mysterien, um die sich allerlei widersprüchliche Erzählungen ranken.

Manche Storyelemente sind einfach so gut, dass man Inkonsistenzen verzeiht. Beispielsweise war die Sidequest mit den Emps in Ultima 7 so gut, dass man gerne darauf vergaß, dass man früher nie Silberblattbäume im Deep Forest gesehen hatte. Auf Sachen wie das komplette Ignorieren von Underworld 2 in Ascension trifft dies freilich nicht zu. Für das Einbauen der Sidequest in Ultima 7 war die Inkonsistenz notwendig oder zumindest irrelevant. Das Ignorieren von Underworld 2 in Ultima IX war nicht notwendig.

Die Frage ist also: Welche Dinge sind es in der Ultima-Serie wert, genitpickt zu werden? Und welche Fehler sind dann im Endeffekt so schlimm, dass sie wirklich die Atmosphäre des jeweiligen Spiels verderben?

Es ist die persönliche Entscheidung eines jeden einzelnen Fans. Aber die beste Balance zwischen kleinen Handlungslücken und hundertprozentiger Aufklärung der Serie und der jeweiligen Stories der einzelnen Teile hatten meiner Meinung nach Ultima 4 bis 8 aufzuweisen, während UA diesbezüglich viel zu stark in Richtung Handlungslücken tendiert. Ich kann meine Ansicht auch statistisch belegen; man braucht nur die Anzahl der auf dieser Seite aufgelisteten Fehler in Ultima IX mit der Gesamtzahl aller aufgelisteten Fehler der alten Ultimas vergleichen.

Ich gebe auch zu bedenken, dass viele der Nitpicks nicht so ernst gemeint sind, zumindest nicht die der alten Ultimas. Bei den meisten dieser Nitpicks habe ich sogar vollstes Verständnis für die Entwickler. Auf den Großteil der UA-Fehler trifft dies aber nicht zu, aus bereits genannten Gründen.

Es ist nur ein Spiel

Ein letztes Wort zum üblichen „Es ist nur ein Spiel!“-Totschlagargument: Ja, Ultima ist nur ein Spiel, aber die Serie hatte seit Ultima 4 und vor UA auch einen literarischen, wenn nicht gar philosophischen Stellenwert. Die Ultima-Serie zeigte, dass Computerspiele eine ernstzunehmende Kunstform sein können. Und schwere Handlungsfehler in der Serie (wie sie hauptsächlich bei Ultima IX auftreten) kommen Hardcore-Fans deshalb eben vor wie wenn man mit einem roten Farbstift die Mona Lisa ankritzeln würde.

Trotzdem muss ich der Aussage „Es ist nur ein Spiel“ teilweise zustimmen. Es ist genauso dumm, über ein Computerspiel zu streiten, wie über andere Kunstformen. Ich lege großen Wert darauf, dass das Nitpicken hauptsächlich als Spaß betrachtet wird. Sogar wenn die vielen Fehler das Spiel zerstören (was für mich aufgrund von Anzahl und Gewicht der Fehler ausschließlich bei Ascension der Fall ist), habe ich mich bemüht, die Inkonsistenzen und Handlungslücken mit Humor zu beschreiben, und mit einer Prise Ironie. Ja, es ist schließlich sogar das Fehlersuchen selbst, welches aufzeigt, dass es sich nur um fiktive Welten am Computerbildschirm und in unserer Phantasie handelt. Und an umständlichen (meist auch einfachen) Erklärungen für Fehler besteht bei „Hacki’s Ultima Page“ nur am Rande Bedarf.

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