Dissention Kapitel 1: In Lord Britishs Schloss

„So ein verfluchter Tag!“, ärgerte sich der ermüdete König, der älter aussah als je zuvor. „Wie konnte es nur so weit kommen?“

„Stimmt es also?“ fragte Miranda, berufstätige Mutter und Kanzlerin Britannias. „Oder gibt es noch Zweifel?“

Nystul, langjähriger Hofmagier Lord Britishs, schüttelte den Kopf. „Jeder Zweifel ist ausgeschlossen. Die Vorhersehung war ziemlich eindeutig.“

In der Tat keinerlei Zweifel. Keine Diskussion mehr. Der größte Held, die größte Hoffnung des Reiches, war zugrundegegangen. Nicht einmal die mächtigen Zauberkünste Lord Britishs, die durch das Tragen der Kronjuwelen noch stärker waren, wenn er auf seinem Thron saß, konnten Britannias berühmtesten Tausendsassa zurückholen.

Miranda sah allen im Rat versammelten Mitgliedern ins Gesicht. British wirkte ziemlich entnervt. Es war ja wirklich ein Wunder, wie er es geschafft hatte, seinen Thron jahrhundertelang zu behalten, wo er doch in Krisenzeiten immer so unglaublich nutzlos gewesen war. Nystul machte ein besorgtes und nervöses Gesicht: Ihm ging es auch nicht viel besser. Sir Geoffrey, Hauptmann der Wache, versuchte mit düsterem Blick Tapferkeit vorzutäuschen, aber Miranda hatte ernsthafte Zweifel, ob er noch zu etwas nutze sein würde. Seine lange Abkehr vom Abenteuer hatte ihn sicherlich etwas verweichlicht. Das zurückgehaltene Schluchzen der Handwerkerin Julia zeigte jedenfalls klar, wie hilfreich -sie- sein würde.

Anscheinend waren Syria und der Gargoylegesandte Wislem die einzigen zwei Ratsmitglieder, die noch nicht der Verzweiflung erlegen waren. Damit war nicht viel anzufangen.

„Also...“ Das Schweigen zu brechen war peinlich, aber notwendig. „Möge der Avatar in Frieden ruhen. Zum Trauern haben wir jedoch wenig Zeit. Eine offene Rebellion ist im Reich ausgebrochen, gerade dass wir nicht auch noch hier im Schloss belagert werden. Wie kann man das wieder in Ordnung bringen?“

„In Ordnung bringen?“ zischte Julia. „Wie könnt Ihr nur so reden? Unsere letzte, größte Hoffnung ist in ihr feuchtes Grab gefallen.“

„Julia hat recht,“ sagte Geoffrey. „Jetzt, wo der Avatar fort ist, können wir auch gleich aufgeben. Was sollen wir sonst machen?“

„Wir können noch immer auf andere Ressourcen zurückgreifen,“ antwortete Miranda ruhig.

„Nennt mir drei Beispiele,“ erwiderte Geoffrey.

Miranda zählte sie rasch an den Fingern ab; Geoffrey und die anderen am Tisch waren etwas langsamer.

„Erstens, deine eigene Wache.“

„Zweitens, die magischen Fähigkeiten Seiner Majestät und Nystuls.“

„Drittens, die Paladine von Trinsic.“

„Viertens, der Orden der Silberschlange.“

„Fünftens, die Magier von Moonglow.“

„Sechstens, die Gargoyles, die treu zu König Draxinusom stehen.“

„Siebtens...“

Lord British schnitt ihr das Wort ab, „Genug. Euer Argument wurde zur Kenntnis genommen. Aber... das hilft alles nichts. Britannia wurde noch nie von seiner eigenen Regierung aus dem Dreck gezogen.“

„Das klappt niemals,“ meinte Nystul.

„Zu fragen, warum nicht?“ meinte Wislem.

„Nun ja,“ sagte Nystul. „Äh, gut. Äh. Es wird einfach nicht klappen. Schau, von Wachen, Paladinen, Königen und Magiern kann niemand erwarten, dass sie für uns die Welt retten. Dafür sind Helden zuständig.“

„Falls Ihr es vergessen habt,“ wandte Miranda ein, „Euer ’Held’ ist gerade von einer absurden Falle abgerutscht und zu Fischfutter in Pagan verarbeitet worden. Der Zweck dieses Rates besteht darin, einen neuen Schlachtplan zu entwerfen. Wir können nur eins machen...“

„Ja,“ sagte Nystul. „Wir müssen einen neuen Helden rufen. Eine karge Hoffnung, aber der einzig plausible Weg.“

„Ein guter Ratschlag, alter Freund,“ nickte British zustimmend. „Viel besser als die verrückte Vorstellung, dass wir selbst unsere Probleme lösen. Auf zum Thronsaal!“

Nystul, British, Geoffrey und Julia marschierten hinaus.

Miranda schüttelte angewidert den Kopf, und schlug in einem Frust-Ausbruch den Kopf gegen den Versammlungstisch.

„Nicht zu verstehen den Sinn deiner Aktion,“ sagte Wislem.

Miranda seufzte. „Ich habe meinen Hammer verschlampt. Ich habe den Rat vertagt.“

„Zu verstehen nun.“ Wislem verließ den Saal.

Syria streckte sich in ihrem Sessel durch. „Diese ’Zivilisation’ hat uns nicht nur verweichlicht, sondern auch verblödet. Wie viele dieser Quatschköpfe müsste ich wohl umbringen, damit wir selbst den Thron besteigen könnten?“

Miranda lächelte gequält. „Ich fürchte, alle. Und noch ein paar hundert mehr, die wie sie sind.“

„Wisst Ihr einen sinnvolleren Zeitvertreib?“ murmelte Syria mit finsterer Miene.

Miranda überlegte. „Zum Glück hatte Lord British nie viel Ahnung davon, was außerhalb dieser Schlossmauern passiert. Wann kommt Sentri zurück?“

„Frühestens irgendwann bei Einbruch der Dunkelheit.“

„Hole ihn her, wenn er da ist.“


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